Venedig im Winter – Geheimnisvoll und verzaubert
Wer wie ich, die Lagunenstadt nur im Sommer kennt, wird sich wundern über die Winter-Edition…Wenn der Nebel über der Stadt steht oder die tiefe Sonne ihre Schatten wirft, dann bekennt Venedig ihre wahre Schönheit.
Unsere Anreise war jedoch alles andere als verklärt. Ich habe mich bereits einige Male als Ryanair- Reisender “geoutet”. So gings auch diesmal Low Budget los. Geflogen sind wir ab Bremen zum kleinen Flughafen Treviso, er liegt 20 Kilometer nördlich von Venedig. Mit dem Bus kommt man ohne Probleme direkt zu Venedigs zentralem Busbahnhof Piazzale Roma. Von hier aus besteigt man am besten eines der Vaporettos (Wasserbusse). Wir haben uns eine Dreitages -Karte gekauft, denn trotz des Gassen-Labyrinths kennt man sich nach wenigen Tagen in der Kleinstadt aus und muss nicht mehr den “Seemann auf den Kanälen spielen. Wir hatten uns für ein Apartment, an der Haltestelle San Marcuola entschieden. Die Bilder versprachen eine Unterkunft mit Blick auf den Kanal. Leider „versprachen“ sie es nur,- denn das zwei Zimmer Apartment war eine große Küche, in der die Vermieterin sonst Kochkurse abhält. Im Nebenzimmer stand ein Bett zwischen übergroßen Kochutensilien. Außerdem stank es hier derartig vom Kanal, dass wir kurzerhand die Küche zum „Loft mit Bett/Küche“ umgestalteten. Das hieß die drei Esstische wurden ins stinkende Nebenzimmer verfrachtet und das Bett in die Küche gehievt. Man weiß sich halt zu helfen.- „Ich muss wohl meine romantische Verklärtheit in der Apartmentfrage überdenken“. Obwohl, schön war es schon, morgens vom Frühstückstisch auf den Kanal mit den singenden Gondoliere hinaus zu blicken.“ Zum Glück gab es keine Kochevents, die während unserer Zeit veranstaltet wurden und die Vermieterin war ausnehmend nett. Nach unserem „Bauvorhaben Apartment“, konnten wir uns dann auch entspannt Venedig widmen und wir haben uns sofort verliebt. Venedig im Winter ist seltsam still, morbide und charmant. Fast ein wenig verträumt.
Es scheint fast, als wenn die Stadt zu dieser Zeit frei atmet. Eine frische Brise von der See verdrängt den muffigen und stickigen Geruch des Sommers. Die Gassen sind wenig überlaufen und überall scheint Normalität zu herrschen. Bei den Spaziergängen durch die Stadt hörten wir fast nur italienisch. Was bleibt sind die unverwechselbaren Gebäude, Kanäle und Sehenswürdigkeiten. Über die Lagunenstadt wurde viel geschrieben, sie wurde gefilmt, gemalt und fotografiert, da weiß man gar nicht, was zuerst angesehen werden soll. Wir sind mit dem Vaporetto den Canal Grande hinunter zum Markusplatz gefahren, also der Klassiker unter den Einsteiger- Sightseeing-Modellen. Der Canal Grande ist unter den mehr als 170 Kanälen, die wichtigste Verkehrsader dieser Stadt. Auch hier waren wir positiv überrascht, die Wasserbusse, im Sommer mehr Touristengaleeren, sind jetzt fast nur von Venezianern besetzt.
Entspannt zieht das Vaporetto vorbei an den noblen Palastbauten, wie dem Fondaco dei Turchi oder dem Palazzo Ca’Rezzonico mit seiner herrlichen Treppe. Am Ende des Canal Grande passiert man eines der Wahrzeichen, die Barockkirche Santa Maria della Salute. Doge und Rat Venedigs haben sie aus Dankbarkeit für die Beendigung der Pest, 1630 nach Plänen des Architekten Longhena erbaut.
Nächster Stopp ist dann der berühmte Markusplatz. Auch im Winter eine Augenweide mit dem Markusdom und dem Dogenpalast. Besonders gefallen hat mir die Loggia dei Cavalli, eine Anordnung von vier wunderschön gearbeiteten Pferden aus vergoldeter Bronze, die über dem Hauptportal der Kathedrale thronen. Sie sind Beutestücke aus Konstantinopel und galten früher als Symbole der Unabhängigkeit Venedigs. Natürlich ist auch die Campanile sehenswert, der Glockenturm bietet in 99m Höhe ein herrliches Panorama über Venedig. Einstmals war er multifunktional im Einsatz als Leucht-, Wach- und Folterturm, heute prägen seine fünf Glocken jedoch immer noch den Rhythmus der Stadt. Die Tauben, auf dem Markusplatz, haben mich jedoch ein wenig in Angst versetzt. Sollte einmal „Das Dschungelkamp“ hier gastieren, werden die Vögel sicher eine Rolle spielen. Wer sie füttern will, muss schon ein wenig todesmutig sein, Hitchcock lässt grüßen. – Wenige Meter entfernt zwischen Palazzo Ducale (Regierungs- und Justizbehörde) und dem durch einen Kanal getrennte Palazzo Delle Prigioni (Gefängnispalast) befindet sich die Seufzerbrücke. Die schmale, elf Meter lange, weiße Kalksteinbrücke erhielt ihren Namen aus der Vorstellung, dass die Gefangenen auf ihrem Weg ins Gefängnis von hier aus zum letzten Mal in die Freiheit blicken konnten. Naja mit dem fortschrittlichen Strafvollzug hat das nichts mehr zu tun. Die unangefochtenen Könige der Stadt sind die Gondoliere, denn wer die Lagunenstadt besucht, muss sich eigentlich in eine der Gondeln schwingen. Eine Fahrt mit dem eleganten Kahn, gilt als Gipfel der Romantik und wer in die Fänge eines Gondoliere gerät der kommt auch MIT !!!! Nichts für uns – der Gedanke brav nebeneinander durch die Kanäle zu schippern und von allen angeglotzt zu werden, trieb uns die Schamesröte ins Gesicht. Versucht haben wir aber die Lightversion: An zwei Stellen kann man den Canal Grande – ähnlich einer Fähre – mit der Gondel überqueren, die Fahrt kostet wenig mehr als einen Euro und ist trotzdem Gondelerlebnis pur.
Wie jede Stadt hat Venedig ein Viertel, das irgendwie Besonders ist, eine Art „Kleingalien“. Ich denke hier ist es die Insel Giudecca, wegen ihrer Form auch spina lunga (= langes Rückgrat) genannt. Vom Markusplatz kann man sie in 10 Minuten mit dem Schiff erreichen. Ihre Bewohner sagen gerne „wir sind hier und Venedig ist da drüben.“ Giudecca ist eben eine ganz eigene Welt für sich. Wer Prominente „spotten“ möchte ist hier jedoch genau richtig. Elton John hat für Mama und Papa ein Haus an der Fondamenta San Giovanni gekauft. Robert De Niro lässt es sich auf der lauschigen Terrasse der “Trattoria Altanella” gutgehen und George Clooney schätzt das “Hotel Cipriani”. Auch unser Ulrich Tukur wohnt hier, bei der Bar Palanca gleich um die Ecke. Vor allen Dingen ist die Insel aber so herrlich authentisch und sie bietet einen sagenhaften Blick auf San Marco und den Palazzo Ducale. Daneben gibt es alles was man zum Leben braucht, einen Friseur, kleine Supermärkte, Fischhändler, Schlachter, Obst- und Gemüseläden, eine Patisserie, ein paar Bäcker, einen Kiosk und die schicke Boutique, gleich bei der Vaporetto-Station “Redentore”.
Doch wer glaubt Venedig besteht im Winter ausschließlich idyllisch ruhig, der irrt gewaltig. Der Hotspot für Nightlife befindet sich an der Rialtobrücke. Tagsüber Touristenattraktion, denn im Herzen von Venedig überspannt sie den Canal Grande mit einem herzlichen Ausblick auf die Wasserstraße. Abends tobt hier das Leben! Unser Lieblingsplatz war die Wein-Bar Muro Venezia Rialto. Sie ist gar nicht zu verfehlen, schon von weitem sieht man die Crowd auf der Piazza rund um die Bar. Hier geht es rund bis spät in die Nacht. Wer es etwas ruhiger angehen lassen möchte, findet wenige Meter entfernt die Kneipe Al Marcà. Treffpunkt der Venedig Hipster, Gondolieri mit coolen Sonnenbrillen und Studenten. Entweder genehmigt man sich den obligatorischen Spritz oder ein paar Cicheti (Häppchen).
Wir sind dann noch häufig ein wenig durch das Viertel San Polo gelaufen, einer der belebtesten Teile der Stadt, mit vielen kleinen Läden und typischen Bars in engen Gassen. Alle gehen vom Campo San Polo ab. Im Südwesten öffnet sich San Polo zum Viertel Dorsoduro.
Nach der Gründung der Kunstakademie und dem Bau der Akademiebrücke etablierte sich hier die Szene für Kreative. In diesem Teil Venedigs finden sich nicht nur viele Galerien, sondern auch versteckte Kunstperlen wie die Galleria d’Arte l’Occhio. Lokale Künstle organisieren Ausstellungen, außerdem gibt es das hübsche Galeriecafé Imagina Café. Ziemlich versteckt findet man ebenfalls die letzte noch tätige Gondelwerft Venedigs. Wer es in Sachen Kunst etablierter mag, der besucht das Guggenheim-Museum. Es ist benannt nach Peggy Guggenheim, die von 1949 bis zu ihrem Tode 1979 in Venedig lebte. Schon zu ihren Lebzeiten waren einige Räume des Palazzo Venier dei Leoni Ausstellungsräume. Im Museum sind über 200 Gemälde und Skulpturen von Künstlern, wie Picasso, Kandinsky, Schwitters, Mondrian, Klee, Miro, Dali und von ihrem Ehemann Max Ernst zu sehen.Nach den ersten Tagen auf den Vaporetti haben wir schnell gemerkt, dass Venedig auch erlaufen werden will. Wer sich durch Gassen treiben lässt, hat die Chance noch mehr ursprüngliche Viertel kennen zu lernen, wie z.B. das Cannaregio. Meist ist es nur eine Art Durchgangsviertel vom Bahnhof zum Markusplatz. Dabei finden sich hier viele hübsche Brücken mit Aussicht, typische venezianischen Häusern und viele pittoreske Gänge und Gassen. In dieser Gegend wohnen viele Studenten, daher ist die Atmosphäre alternativ und entspannt. Außerdem existiert ein Jahrhundert altes jüdisches Viertel,in dem noch jüdisches Leben stattfindet.
Wunderbare Ruhe und noch mehr typisch venezianisches, gibt es im Viertel Castello. Vielen bekannt, weil die öffentlichen Gärten (Giardini Pubblici) Veranstaltungsort der Biennale (internationalen Kunstausstellung) sind. Im Arsenal liegt auch eine große Werft, in der die Kriegsschiffe der venezianischen Flotte gebaut wurden. Scheint die Sonne ein wenig, ist ein Ausflug mit dem Vaporetto zum Lido empfehlenswert. Die rund 12 km lange, schmale Sandbank, schirmt die venezianische Lagune gegen das offene Meer ab.
Im Sommer ist die Insel das bevorzugte Ziel der Venezianer. Dann belagern sie die Sanddünen von San Nicolò und Alberoni, die Klippen der Murazzi oder den Strand Bluemoon. Im Spätsommer fallen hier außerdem Stars, aus aller Welt für die Filmfestspiele ein. Im Winter ist dies ein schöner Platz für „Sinnsucher in der Einsamkeit“, da alles geschlossen ist. Wir haben uns ein Fahrrad bei Lido on Bike gemietet und uns die Seeluft um die Nase wehen lassen. Danach gab es lecker Essen im Ristorante da Valentino.
An unserem vorletzten Tag haben wir einen Ausflug nach Murano unternommen. Hier finden sich die weltberühmten Glasbläsereien. Auf halber Strecke befindet sich die Friedhofsinsel San Michele. Ein etwas morbider Tipp, aber trotzdem schön.
Die vielen Grabsteine lassen venezianische Geschichte erahnen. Außerdem gibt es hier viel Stille zwischen Zypressen, Engeln und kunstvollen Statuen. Im Süden hat man einen tollen Ausblick auf die nördliche “Skyline” von Venedig.
Murano empfängt seine Besucher mit leuchtend bunten Häusern. Auf der Insel warten unzählige Geschäfte, in denen man Vasen, Skulpturen und anderweitige Gegenstände aus Murano-Glas erwerben kann.
Teilweise waren wir aber irritiert über die mundgeblasene Glaskunst oder die handgefertigten verkitschten Glas –Gartenzwerge. Spannend sind hingegen die Glasmanufakturen, wo man bei der Produktion zusehen kann oder das Glas-Museums Museo Del Vetro. Interessant fand ich, dass es bis vor 200 Jahren bei Todesstrafe verboten war, aus den Diensten der “Serenissima” von Murano zu flüchten. Der Grund für die rüde und eigenwillige Mitarbeiterbindung: Venedig besaß in der Glasherstellung ein Monopol, das buchstäblich Gold wert war. Wir sind wohlbehalten, ohne eine drakonische Strafe von der Insel weggekommen und haben dieses winterliche Venedig in unser Reiseherz geschlossen. Für jeden der eine Stadt mit Melancholie, Gondelromantik und viel Dolce far niente sucht – ist es genau der richtige Platz!
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Mehr Infos zu Venedig: http://www.veniceconnected.com/de/node/1806
Webcam Venedig: http://www.earthtv.com/de/kamerastandort/webcam-venedig-italien
Essen und Ausgehen:
http://www.ristorantevalentinovenezia.com/galleria.html
http://www.whattoseeinvenice.com/de/nachtleben-venedig/
http://www.sueddeutsche.de/reisefuehrer/venedig/unterhaltung
Hotels und Apartments, die uns aufgefallen sind:
http://www.friendlyrentals.com/de/wohnungen/venedig/unterkunft-244.htm
http://www.apartmentsinvenicelido.it/appartments.htm
http://www.palacebonvecchiati.it/de/
Ich war auch vor ein paar Jahren in Venedig.
Der Bericht trifft voll zu und ist gut geschrieben.
Danke
Y.
Hallo,
unsere romantische Hochzeitsreise ging nach Venedig.
Ich beneide euch das ihr im Winter gefahren seid, denn
wir waren im Juli dort. Es war überall mit Menschen über-
laufen Chinesen, Engländer und Amerikaner (fast keine Italiener – die flüchten wahrscheinlich). Es war trotzdem
wünderschön, aber unser nächster halbjahres Hochzeitstag geht auf jeden Fall noch mal nach Venedig. Denn das was ihr hattet – will ich auch haben 😉
Dankeschön
Melanie
Hallo, bin Venezianerin und wohne im Stadtteil Castello. Ich habe einen Venedigkrimi geschrieben (ebook auf Amazon “Venedig im Nebel”), der in einem winterlichen nebelumhangenen Venedig spielt, wenn die Stadt, wenn auch nur fuer kurze Zeit, wieder ganz den Venezianern gehoert, mit vielen Venediginfos. Ich blicke hinter die Prachtfassaden der stolzen venezianischen Palazzi, die im Wasser stehen, in ihre rauschenden Feste aber auch in ihre Abgruende. Denn Venedig ist kein Museum, wir Venezianer keine Figuranten eines Themenparks, hier lebt, liebt und stirbt man auch.
Ciao da Venezia, die Autorin Johanna Valori
Link zum ebook:
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